Danke!

"After rain there's a rainbow, after a storm there's calm, after the night there's a morning, and after an end there's a new beginning."
(engl. Sprichwort)

Es ist Ausnahmezustand. Seit dem 14.07.21 haben sich die Ereignisse überschlagen, Dörfer und Städte wurden überflutet, beschädigt, verwüstet. Menschen wurden verletzt und sind gestorben. Existenzen, Erinnerungen, Hab und Gut wurden davongespült. Es ist schrecklich.
Die Betroffenen erleben in all der Unsicherheit und Angst der vergangen Tage auch große Solidarität. Ehrenamtliche Einsatzkräfte, Unternehmen, Vereine, Nachbar:innen und völlig Fremde stehen einem in der Not bei, helfen wo es möglich ist mit ihren Händen, Pumptechnik, Stromerzeugern, Schubkarren, Schaufeln, Essen, Kleidung, Spenden und Unterkunft. Auch in meiner Nachbarschaft sind viele Menschen in Not geraten. Die Hilflosigkeit der ersten Stunden als das Wasser kam wandelte sich irgendwann in ein "Wir tun, was wir können". Auch wenn gegen das Wasser nichts zu tun war wurde geholfen wo Kraft und Zeit übrig war. Ich kann gar nicht sagen, wer wem wobei geholfen hat, es war einfach überwältigend wie selbstverständlich es war anderen in Not zu helfen.


Beruhigende Worte, eine Umarmung, Unterkunft anbieten, Kaffee kochen für die ausgepowerten Einsatzkräfte, Sandsäcke füllen, Pumpen organisieren, Nachbar:innen belgeiten weil sie Ihr Haus verlassen müssen, immer wieder neue Notrufe absetzen, Informationen austauschen, Verzweiflung aushalten und Mut zusprechen, Strom teilen, für völlig fremde Menschen kochen, helfen, um zu retten, was zu retten ist - Das alles ohne zu Fragen was man dafür bekommt oder was es kostet. Es ist einfach nötig sich jetzt gegenseitig beizustehen. Kraft zu spenden wo Kraft gebraucht wird aber auch Kraft zu Tanken um weitermachen zu können.
 

Das ist wofür ich DANKE sagen möchte DANKE für DEINEN Einsatz, DEINE Zeit, DEINE Kraft, DEINE Unterstützung, DEINE Leidensfähigkeit und DEINEN Mut nicht aufzugeben.

Es wird dauern, bis alles wieder "normal" sein wird. Wir brauchen Zeit für Trauer, Wiederaufbau und Verarbeitung.
Für diese Zeit wünsche Ich DIR die Kraft, die DU brauchst:


Mögest du an jedem Tag spüren,
dass auch die dunklen Stunden einen
göttlichen Schimmer besitzen.

(altirischer Segenswusch)

Alles Gute!

Micha und das Team des Jugendreferates


Das was bleibt

Es war an einem der heißen Tage, in denen ich nur mit Mühe überhaupt Motivation fand aus dem Haus zu gehen, alleine weil ich, als ziemlich temperaturempfindlicher Mensch, bei 30 Grad im Schatten direkt zerfließen würde. Ich kann mich glücklich schätzen, dass zu dieser Anfälligkeit für Müdigkeit nicht auch noch eine solche für Sonnenbrand dazukam, denn ansonsten hätte ich mich wahrscheinlich jedes Jahr im Sommer für mindestens drei Monate im Haus eingesperrt. An diesem Tag hatte ich mich jedoch aus dem Haus gewagt, um mit einer Freundin ein kühles Getränk trinken zu gehen und uns auszutauschen, in einem der üblichen Einzeltreffen, die ich mit meinen Freunden immer mal wieder ausgemacht hatte. Ich trat also aus dem Haus, in der Aussicht auf besagtes Getränk, das mit Sicherheit auch meine Motivation an diesem Tag noch irgendetwas anderes zu tun außer zu schlafen, kalte Limonade zu trinken und die Beine in einen Eimer mit kaltem Wasser zu hängen steigern würde. Eine meiner vielen Nachbarinnen hatte wohl eine ähnliche Idee gehabt und lies sich an der Tür von einer Freundin abholen, sie umarmten sich und während ich mich an ihnen vorbeiquetschte, hört ich den Satz, dass hoffentlich alles so wie vor der Pandemie werden würde.

Ich denke nicht, dass es jemals so werden kann wie vor der Pandemie. Nicht nur, weil wir uns als Personen und Gesellschaft stetig weiterentwickeln und es niemals in irgendeinem Zusammenhang so werden kann ‚wie früher‘, aber auch, da die Pandemie so einiges mit der Welt gemacht hat. Hier meine ich nicht mit uns Menschen, die die Welt bewohnen, sondern unsere Erde an sich. Der menschengemachte Klimawandel schreitet voran und es lässt sich nicht herunterspielen, dass die Maskenproduktion unglaublich viel Müll produziert hat, da die teilweise sogar so genannten „Ein-Mal-Masken“ wie der Name bereits sagt nach einem Mal tragen oft schon wieder im Müll landen, obwohl diese durch eine Hitzebehandlung im Backofen sehr leicht wiederverwendbar gemacht werden können, die permanenten Video-Konferenzen unglaublich viel Strom verbrauchen, der mit Sicherheit nicht nur aus Öko-Strom besteht, und auch das ständige Schicken und Liefern von Paketen nicht gerade den ökologischen Fußabdruck verkleinert. Ja, die Maskenproduktion war nötig, ebenso die Video-Konferenzen um die Karriere, das Studium oder die Schule am Laufen zu erhalten und damit auch die Wirtschaft – sogar den Anstieg der Paket-Lieferungen versteh ich selbst sehr gut, da auch ich mir Dinge bestellen musste, als die Geschäfte komplett geschlossen hatten. Aber nun, da sich wieder andere Möglichkeiten eröffnen, finde ich, ist es um so mehr wichtig auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die der menschengemachte Klimawandel mit sich bringt. Abgesehen vom Artensterben, den vielen verschiedenen Naturkatastrophen, dem Abschmelzen der Polkappen und den Wetterextremen, hat der Klimawandel schließlich auch Auswirkungen auf unsere eigene Lebenswelt. Wie bereits beschrieben, sind mir mehr als 30 Grad im Sommer einfach zu viel. Ich bin dann müde, schlapp, kann mich kaum zu etwas aufraffen, kriege Kopfschmerzen und im schlimmsten Fall klappe ich einfach zusammen, so kann ich im Sommer teilweise nicht so viel für die Uni arbeiten, wie ich es gerne möchte. Im Winter ist es so kalt, dass ich kaum rausgehe, da ich weiß, dass ich mit fünf in Schichten angezogenen Oberteilen und dicker Winterjacke trotzdem frieren werde, wodurch ich jedoch deutlich mehr heizen muss. Dies sind nur die Dinge, die mir zu dem extrem heißen Wetter der letzten Tage eingefallen sind, es gibt noch viele weitere Felder, in denen sich der menschengemachte Klimawandel auswirken wird, die auch wir mitbekommen werden.

Ich habe auch schon Menschen sagen gehört, dass die Pandemie doch für die Natur viel Gutes gebracht hat, meist in Zusammenhang mit den Bildern der Delfine, die wieder in den Kanälen Venedigs gesehen wurde. Doch ich glaube kaum, dass diese sich dort auch noch heimisch fühlen werden, wenn nach Corona dieser Ort wieder von Touristen überrannt wird, wahrscheinlich dank der langen Warnungen vor Auslandsurlaub deutlich mehr als sonst. Ich glaube daher nicht, dass die Welt werden kann wie früher, denn die Maßnahmen, die nötig waren um Wirtschaft während der Pandemie aufrecht zu erhalten und der Gesellschaft noch ein Hauch ihres alten Lebens zu geben, haben den Klimawandel deutlich vorangetrieben. Es ist wichtig, dass wir uns das bewusst machen und jetzt aktiv werden, damit wir das Schlimmste noch verhindern können. Denn ich möchte, dass irgendwann meine Kinder auch noch in dieser Welt glücklich leben können.

Jugendliche – die Verlierer:innen der Pandemie?

Ich habe schon öfters beschrieben, wie während der Corona-Pandemie die Jugend und ihre Einzelschicksale außen vor gelassen wurden, doch heute möchte ich auf eine ganze bestimmte Altersgruppe eingehen. Hierbei meine die Gruppe der Teenager, die ich zwischen ca. 12 Jahren und ihrem Schulabschluss ansiedle, da dies für diese These besonders wichtig ist. Denn auch wenn die gesamte junge Generation während der Krise nicht beachtet wurde, hat es diese Altersgruppe besonders schwer, wie mir scheint. Ich höre immer wieder Nachrichten, wie langsam auch Kindern die Impfungen zugänglich gemacht werden oder zumindest auch die Risikopatienten diesen Alters geimpft werden können. Ich selbst, als Studentin, habe auch langsam Aussicht auf eine Impfung, da die Betriebsärzte meiner Uni bereits den Jahrgang 1993 impfen und mein eigenes Geburtsjahr nun nicht mehr allzu weit weg erscheint. Natürlich werde ich auch noch einige Zeit warten müssen, vor allem wenn ich es verpasse mir an dem Tag der Freigabe um exakt acht Uhr einen Wecker zu stellen und den Button der Terminvergabe schnellstmöglich anzuklicken. Aber die Impfung steht in Aussicht, es wird nicht mehr Ewigkeiten dauern bis ich sie über die Uni erhalten kann. Und dabei frage ich mich – was ist mit den Jugendlichen? Die Schüler:innen, die eh schon auf Grund der permanenten Schulschließungen Angst um ihren Abschluss haben, sich dazu entschlossen haben freiwillig ein Jahr zu wiederholen oder denken, dank Corona kaum noch Aussichten auf eine Ausbildung oder eine Anstellung zu haben. Wenn die Delta-Variante sich nun wirklich so schnell verbreiten sollte und dieses Konzept der Impfpriorisierung weiter durchgezogen wird, dann haben wir, bei diesem Gedankenmodell, irgendwann sehr viele geimpfte Erwachsene, einige geimpfte Kinder und kaum geimpfte Jugendliche. Diese haben maximal eine Impfung in Aussicht, wenn sie denn dann studieren und in den Verantwortungsbereich der Betriebsärzte dieser fallen oder eben eine Ausbildung oder einen Job bekommen. Und nach meinen Informationen durch Bekannte und Freunde sieht kaum ein Jugendlicher dies vor Augen, immer mehr Personen dieser Altersgruppe haben Zukunftsängste und glauben nicht mehr daran, eingestellt zu werden oder den passenden Durchschnitt für ihr Wunsch-Studium zu erhalten.

Wir sind alle irgendwie Verlierer:innen der Pandemie, ich glaube kaum jemand hat irgendetwas durch die Pandemie gewonnen, das diese Wert gewesen sein könnte. Aber von all den Verlierern, habe ich das Gefühl, haben es die Jugendlich am schwersten getroffen. Ausgeschlossen von meiner Kalkulation hierbei sind natürlich die Personen, die durch das Virus gestorben sind oder auch Verwandte oder Freunde verloren haben, denn das ist ein Schicksal, das generell fernab meiner hier vorgestellten imaginären Liste steht. Ich möchte ihren Schmerz gar nicht versuchen aufzuwiegen oder in Relation setzen, denn das ist unmöglich.

Nun abgesehen davon: Ich stelle es mir unglaublich demotivierend vor, in dem Alter zu sein, von dem ich nun gerade spreche, keine Aussichten mehr auf eine Zukunft zu haben, wie man sie sich vor Corona vorgestellt hat, nicht mit einer Impfung rechnen zu können und dazu noch zu wissen, dass sie von all den Altersgruppen die angeblich unwichtigste sind. Ich erinnere mich selbst nicht wirklich gerne an diese Zeit zurück, in der ich noch nicht wusste, dass ich ein Mal Spaß an einem Lehramtsstudium haben würde, sondern im Grunde einfach nur darauf wartete, dass nach meinem Abitur ein Wunder geschehe und ich irgendwie etwas finden würde, mit dem ich Geld verdienen könnte. Ich war generell recht demotiviert in dem Alter, frustriert davon, dass mir gefühlt eh niemand richtig zuhörte oder mich verstand, und hoffte eigentlich nur, dass alles irgendwann besser werden würde. Und nun stelle ich mir vor, wie zu diesem Mindset, das sicherlich kein Einzelfall unter Jugendlichen ist, auch noch die Frustration der aktuellen Lage hinzukommt, die Tatsache, dass man der Gesellschaft und ihren Führungspersonen anscheinend gänzlich egal ist und die Aussicht auf Besserung konsequent zu Nichte gemacht wird.

Ich bin nicht mehr in diesem Alter und ich bin tatsächlich ziemlich froh darüber, denn ich denke nicht, dass ich damit gut hätte umgehen können. Wenn nicht sehr bald erkannt wird, wie wichtig jede einzelne Generation ist und das an den oben genannten Problemen gearbeitet werden muss, sehe ich schwarz für einen guten Austausch der Generationen in der nächsten Zeit. Denn ich selbst  wäre in dieser Situation absolut und auch völlig zurecht wütend.

Ferien während der Pandemie

Bei dem Begriff Ferien kommen bei mir selbst nur positive Emotionen hoch, ich denke vor allem an die Schulferien, in denen ich mit meinen Freunden Film-Abende veranstaltet habe, mit der Familie in den Urlaub geflogen bin und auch Tage, an denen ich es mir einfach nur gemütlich gemacht habe. Ich denke an Konzerte, auf denen ich in dieser Zeit war, spontan organisierte Camping-Ausflüge und in späterem Alter auch abendliche Clubbesuche, denn es war schließlich egal, wenn man den darauffolgenden Tag aus Müdigkeit einfach im Bett verbrachte. Auch ich freue mich auf meine Ferien, auch wenn diese natürlich nicht wie die Schulferien jetzt schon beginnen, ich muss mich noch ein wenig gedulden und eine Klausurphase an mir vorbeiziehen lassen bevor ich schließlich die paar Wochen bis zum nächsten Semester genießen kann. Und ich bin so froh, dass ich mich überhaupt wieder auf die Ferien freuen kann! Letztes Jahr um diese Zeit war schon klar, dass die Pandemie ein längerfristiger Zustand wird und Urlaube für das Jahr wohl abgesagt werden mussten. Auch meine Familie rief widerwillig die Buchungen der Züge und Hotelzimmerreservierungen zurück, die wir bereits bezahlt hatten. Und da keine Lust zur Wiederholung eines solchen bürokratischen Aktes bestand, planten wir ab da an gar nichts mehr. Nun werden langsam die Einschränkungen aufgehoben und auch Museen, Restaurants und andere Orte, die man seit nun einer ganzen Weile nicht mehr hatte besuchen können, öffnen wieder. Ich habe das alles so vermisst, besonders die Museen und Ausstellungen, die bei mir meist in einen kleinen Tagesausflug verpackt werden und mich für einen Moment aus meinem Alltag herausholen können. Während der Pandemie musste ich dafür auf Wanderungen oder Spaziergänge ausweichen, auch ein schöner Zeitvertreib, aber dennoch freue ich mich darauf, wieder zwischen Kunstwerken und antiken Rüstungsteilen herumschlendern zu dürfen. Und bei all der Freude, die mir diese Aussichten auf meine Semesterferien geben, ist ein wenig Angst auch dabei. Angst, vor der neuen Delta-Variante, die in aller Munde ist, und vielleicht wieder einen neuen Lockdown herbeiführen könnte, wenn denn etwas unvorhergesehenes passiert. Ich möchte endlich wieder in den Urlaub fahren können, Ausflüge machen und andere Aktivitäten planen, ohne Angst vor dem Virus und ohne Angst vor der Enttäuschung zu haben, wenn dieser erneut abgesagt werden muss.

Ich habe auch einige Konzertkarten auf dem Tisch neben mir liegen, während ich das hier schreibe, und jedes Mal, wenn ich einen Seitenblick riskiere, bekomme ich gemischte Gefühle. Auch diese Konzerte mussten bereits verschoben werden, meist nicht nur ein mal, vielleicht werden sie es ja wieder, weshalb ich mich auch mit dem Kauf neuer Karten zurückgehalten habe. Nicht nur ich, auch die meisten meiner Bekannten sind insgesamt vorsichtig geworden und auch wenn sie sich auf ihre freie Zeit freuen, planen sie entweder gar nichts, oder haben dabei dennoch Angst, dass sie es wieder absagen oder verschieben müssen. Wir haben alle eine gewisse Art der Vertrauensangst durch das Virus erhalten, bei dem ich hoffe, dass diese bald wieder verschwindet. Im Ansatz sehe ich da schon, bei mir selbst und auch bei anderen. Ich sehe mich allerdings auch selbst in den nächsten Jahren immer wieder mit dieser Angst kämpfen, beispielsweise bei der Buchung von Urlauben in Länder außerhalb Deutschlands. Ich will einfach nicht mehr durch den Lauf der Dinge enttäuscht werden, aber nie wieder einen Urlaub zu buchen, keine Karten und Tickets für kulturelle Events zu kaufen ist auch keine Lösung, mir persönlich würde dann ein großer Teil meines Lebens verloren gehen. Also heißt es nur: hoffen, dass es keinen weiteren Einschnitt in unsere Planungen gibt und die Pandemie zu einem Ende kommt. Sicherlich wird Corona nicht gänzlich aus unserem Leben verschwinden, aber ich freue mich auf den Tag an dem ich ein Festivalticket kaufe, mit Freunden einen Trip zum See plane oder ein Flugticket buche und nicht mehr darüber nachdenken muss, wie die Stornierung funktioniert, sollte der nächste Lockdown beschlossen werden.

Harmlose Hilfsbereitschaft oder Alltagssexismus?

Langsam schleichen sich in meine Gedanken tatsächlich wieder andere Themen ein als das alles einnehmende Virus oder mein auch sehr viel Zeit in Anspruch nehmendes Studium. Ich muss allerdings dazu sagen, dass sich meine Überlegungen leider nicht nur um schöne und einfache Dinge, wie das überraschend gute Wetter und die vielen Freizeitmöglichkeiten, die sich dadurch auftun, ranken. Besonders ein Thema kam mir durch seine Omnipräsenz in den sozialen Medien, zumindest in meiner Bubble, und auch einen Vorfall beim Einkaufen in den Kopf: Das Thema des Alltagssexismus. Hier möchte ich einen weiteren Einschub in meinen Text einbauen, und zwar eine kleine Entschuldigung dafür, dass sich meine Geschichten scheinbar nur auf Chat-Gespräche und Situationen im Supermarkt beziehen. Ich habe schlichtweg kaum etwas anderes zu tun in der Pandemie und Geschichten von mir, wie ich alleine durch den Wald reite und nachdenke oder vor dem Laptop in einer Video-Konferenz sitze und dem Dozierenden zuhöre, interessieren denke ich kaum jemanden und wären schwierig in viele Worte zu fassen.

Zurück zum Thema – ich war, wie so oft, einkaufen und hatte grade den Haufen an essenziell wichtiger Snacks bezahlt, als mir ein Mann die Tür aufhielt um mich hindurch zu lassen. Der Supermarkt, der bei mir um die Ecke liegt, ist zwar ein gut sortierter, aber leider einer, bei dem scheinbar immer zu dem Zeitpunkt, an dem ich den Laden betrete, sämtliche Technik ausfällt. Mal musste ich mir im dunkeln meine Lebensmittel zusammensuchen, mal aus dem Kühlraum statt aus den Gefriertruhen das Eis holen. Aber es wird dadurch immer zu einem neuen kleinen Abenteuer, so seltsam es auch klingt, ich freue mich teilweise auf die unvorhersehbaren Geschehnisse, die der nächste Einkauf in diesem Laden mit sich bringen wird. An diesem Tag war anscheinend die Türautomatik ausgefallen und die Türen mussten per Hand an ihren Griffen geöffnet werden, ein Luxus, der bisher tatsächlich immer funktioniert hatte. Ich bedankte mich also höflich, schließlich hatte ich die Hände voll, hörte noch der Antwort des Mannes zu, man helfe mir als Frau doch gerne und war anschließend den gesamten Heimweg damit beschäftigt zu überlegen, ob ich dieses Verhalten nun als sexistisch befinden sollte oder nicht.

An sich finde ich es sehr freundlich, wenn mir jemand die Tür aufhält, ich tue dies aber auch selbst, wenn sich eine Person hinter mir befindet. Allerdings mache ich dies unabhängig vom Geschlecht, egal wer hinter mir läuft, ich fände es unhöflich, diesem Menschen, der wahrscheinlich auch nicht damit rechnet, die Tür vor der Nase zu zu knallen. Mir die Tür aufzuhalten ‚weil ich eine Frau‘ bin finde ich persönlich aber wieder sexistisch, denn es impliziert den Gedanken, dass mir auf Grund meines Geschlechts geholfen werden muss. Und irgendwie richtet es sich doch auch gegen andere Geschlechter, oder hätte der Mann mir nicht die Tür aufgehalten, wäre ich keine Frau gewesen? Ist es sexistischer, dass ich ihm unterstelle sexistisch zu sein, weil er ein Mann ist? Ist das eigentliche Problem gar nicht der einzelne Mann bei mir im Supermarkt an sich, der es vielleicht nicht anders beigebracht bekommen hat oder den Satz anders formuliert hatte, als er es meinte, sondern der strukturelle Sexismus in unserer Gesellschaft, der sich auch gerade gut daran zeigt, dass die Tabletten gegen Kopfschmerzen, die sich zwischen den ganzen Schokoladenpackungen in meiner Einkaufstasche befinden, grundlegend nur an Männern getestet werden und ich somit andere, stärkere oder unbekannte Nebenwirkungen haben könnte, wenn das Medikament überhaupt wirkt? Oder bin ich von all den Diskussionen, die ich in den sozialen Medien darüber gelesen habe so auf das Thema fokussiert, dass es mich in übertriebenem Ausmaß einnimmt und ich jede Situation, die sich mir bietet und auch nur annähernd mit Geschlechterrollen zu tun hat, auf das Thema hin analysiere?

Ich finde, das Thema ist weit aus zu komplex um in einem einfachen Blogbeitrag auf eine Lösung zu kommen, wenn es überhaupt für eine solche Situation eine Lösung gibt. Ich kann nicht in den Kopf des Mannes hineinsehen, welche Intention er hatte und welche Gedanken zu seiner Aussage führten. Ich kann nur für mich wissen, dass ich es sinnvoll finde, mein Verhalten nach allen oben genannten Facetten zu hinterfragen und mich mit dem Thema auseinander zu setzen. Und ich denke, wenn das jeder Mensch tun würde, dann würden auch viel weniger Situationen entstehen, in denen man über all dies nachdenken sollte. Es soll ein kleiner Appell an alle sein, auch an mich selbst, denn nur all zu oft tue ich solche Situationen oder auch andere, in denen ich vielleicht versehentlich etwas in die Richtung gesagt habe, als unwichtig in meinem Alltag ab. Ich habe ja schon das nächste zu tun, eine neue Situation eröffnet sich oder meine Gedanken werden abgelenkt. Aber das Thema ist zu wichtig um in den Hintergrund zu rücken, schließlich betrifft es uns alle.

Vom hin und weg und hin- und hergerissen sein

An einem beinahe schon heißen Tag hier in Aachen, mit ungewöhnlich wenig Regen und tatsächlich mal blauem Himmel, war ich gerade von einem kleinen Bummel durch die Stadt mit einer Freundin wiedergekommen und hatte meine Einkäufe, die man ja nun inzwischen in den Geschäften auch ohne vorherigem Test erledigen kann, in mein mehr oder weniger ordentliches Zimmer eingeräumt, als das Geräusch einer Chatnachricht durch eben jenes hallte. Besagte Freundin hatte wohl herausgefunden, dass durch die niedrige Inzidenz wieder Gruppen von bis zu fünf Personen aus unterschiedlichen Haushalten erlaubt seien und hatte uns, da unsere Mädels-Freundesgruppe aus genau dieser Anzahl an Personen besteht, direkt um ein Treffen gebeten. Um ehrlich zu sein hatte ich darüber gemischte Gefühle: Ich freute mich natürlich unglaublich, alle zusammen hatten wir uns seit Anfang der Pandemie nicht mehr gesehen. Hin und wieder hatte ich mich, wie auch an diesem Tag, mit einem meiner Freunde für einen Spaziergang, einen Coffee to go oder auch nur ein gemütliches ‚im Garten sitzen‘ verabredet, aber zu fünft zusammengekommen waren wir schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Auch besagte Freundin schien, an der Anzahl der Herz-Smileys gemessen, ganz aus dem Häuschen zu sein. Auf der anderen Seite wusste ich wirklich nicht ob ich diesem Treffen zusagen sollte. Sicherlich, es war wieder erlaubt, aber ich selbst war und bin auch immer noch nicht geimpft, einige der anderen auch nicht und bei solch heißen Tagen will man sich auch nicht an einen Ort zwingen, an dem einem erneut für mehrere Stunden die Maske im Gesicht klebt und das Gesicht darunter durch das ja absichtlich undurchlässige Material in einen Wasserfall verwandelt wird. Darüber mal hinweg gesehen, da es sich um ein offensichtliches Luxusproblem handelte, hatte ich immer noch Angst mich versehentlich anzustecken und damit auch meinen Freund. Die Ängste vom Beginn der Pandemie sind vielleicht geschrumpft, ich brauche mir keine Sorgen mehr um meine Großeltern oder Eltern machen, da diese Personen inzwischen alle geimpft sind, teilweise auch schon zum zweiten Mal, aber um andere, mir ebenso wichtige Personen, habe ich immer noch Angst.

Auch von anderen Schüler:innen und Student:innen bekomme ich die Meinungen mit, dass wenn sie zu gewissen Großveranstaltungen gezwungen sind, wie beispielsweise Schule oder Job, sie sich von freiwilligen Veranstaltungen, sei es Sport, Freunde treffen oder andere Gruppenaktivitäten freiwillig fernhalten. Und das obwohl genau diese Personen es waren, die sich so auf eine Besserung der Situation gefreut haben – ich selbst eingeschlossen.

Für mich kommt aber noch ein weiterer Punkt dazu, neben der offensichtlichen Gefahr einer Ansteckung, und zwar die Tatsache, dass ich seit 1 ½ Jahren nun von zu Hause studiere. Ich habe in diesem Zeitraum kaum andere Menschen gesehen als meine Eltern, meinen Freund, einzelne Freunde und den wenigen Personen denen ich auf Abstand am Stall begegne, da ich dank meinem Pferd das Glück habe gezwungen zu sein mein Zimmer zu verlassen. Es fällt mir, einer sehr an bekannten Abläufen hängenden Person, unglaublich schwer generell wieder Treffen mit mehreren Freunden zu vereinbaren. Ich hatte mich an die Situation gewöhnt, in die die Pandemie uns verfrachtet hatte, auch wenn ich sie nicht gut hieß, aber ich hatte mich daran gewöhnt. Eigentlich ist es sehr schade, dass ich, wenn mich jemand um ein Treffen mit mehreren Freunden, wie es auch an diesem Tag geschehen war, direkt ein negatives Gefühl bekomme und direkt absagen möchte, obwohl die Inzidenz es ja nun inzwischen zulässt. Ich weiß nicht wie andere Leute damit umgehen, oder ob es ihnen genauso geht, da ich über dieses Teilthema tatsächlich auch kaum mit meinen Freunden geredet habe. Aber ich werde versuchen diese Gewohnheit zu ändern, schließlich hatte ich immer viel Spaß an Treffen mit meinen Freunden und ich möchte, das es irgendwann wieder so wird.

Ich stimmte also per Chat der Nachricht meiner guten Freundin zwar zu, aber hoffte auch ein wenig darauf, dass dieses Treffen nicht direkt am nächsten Tag stattfinden würde, sondern die Terminfindung sich dank fünf absolut unterschiedlicher Terminkalender die es nun einzubeziehen galt und fünf absolut verschiedenen Uni- und Arbeitszeiten doch ein wenig hinauszögern würde. Nicht lange, nur so lange, bis sich bei mir ein besseres Gefühl in Bezug zu diesem Treffen eingestellt haben würde.

Die vergessene Generation

Ein Thema, das mich bereits die gesamte Pandemie beschäftigt und sich leider nicht in eine kleine, nette, rahmende Geschichte packen lässt, ist die Behandlung der Kinder, Jugendlichen und auch jungen Erwachsenen von der Politik in der Corona-Zeit. Ich kann nicht für alle diese Gruppen oder Einzelpersonen sprechen, aber auch ich habe durch Freunde, Bekannte und auch das Praktikum und dem damit verbundenen Online-Kontakt mit Schulkindern und Teenagern herausgefunden, dass diese beiden Gruppen, ebenso wie die der jungen Erwachsenen, zu denen ich mich selbst zählen würde, in der generellen Planung des Umgangs mit der Pandemie scheinbar vergessen wurden.

Es kommt mir vor, als beschäftigen sich die Politiker:innen zwar mit dem Konzept Schule und versuchen durch permanente Schulschließungen und -öffnungen dieses System am Laufen zu erhalten, doch die Schüler:innen als Einzelne bleiben dabei auf der Strecke. Definitiv wurde dabei die Realität dieser Altersgruppe vergessen, die aus einem relativ geregelten Alltag gerissen wurde und nun mit permanenten Umplanungen klarkommen muss – neben dem generellen Stress, den Online-Unterricht mit sich bringt und der Tatsache, dass es nach einem solch stressigen Schultag nun auch keinen Ausgleich mehr durch Hobbies gibt, die über Vereine oder Organisationen organisiert wurden. Inzwischen sinkt die Inzidenz langsam wieder und beispielsweise gemeinsamer Sport ist für Kinder und Jugendliche wieder möglich geworden, aber hinter uns liegt ein gesamtes Jahr in dem dies eben nicht möglich war. Ich selbst, als Studentin, war sehr froh, dass meine Universität am Anfang jedes Semesters entschieden hat, den Unterricht das gesamte Quartal lang online durchzuführen. Sicherlich habe auch ich den Unterricht per Video-Konferenz irgendwann als stressig empfunden, aber ich hatte wenigstens die Möglichkeit zu Planen. Ich wusste, dass es nicht von jetzt auf gleich heißen würde, dass ich doch wieder in den Vorlesungssaal kommen müsste, nur damit dann der Beschluss nach wenigen Tagen wieder gekippt werden würde. Auch ich habe das Gefühl vergessen worden zu sein: viele Student:innen haben vor der Pandemie das Geld für ihre Wohnungen durch kleinere Jobs neben der Uni verdient, wie beispielsweise Kellnern. Dieses wichtige Einkommen fiel für viele von jetzt auf gleich einfach weg. Ich habe zwar davon gehört, dass auch wir finanzielle Hilfe bekommen sollten, doch ich und auch meine Kommilitonen haben nie etwas davon gesehen oder genauere Informationen dazu bekommen. Die Uni-Bibliotheken sind derweil immer noch zu, während geplant wird, für gewisse Fußballevents Stadien zu füllen. Aber dennoch denke ich, dass Schüler:innen das weitaus schwerere Los gezogen haben, ein gesamtes Jahr voller Unsicherheit und dem Gefühl herumgeschoben zu werden, wie es den Menschen, die die Entscheidungen darüber treffen und scheinbar losgelöst von der Realität agieren, gerade passt, wüsche ich niemandem. Mir kommt es so vor, als war das einzige Ziel, an das bei den Beschlüssen für die Kinder und Jugendlichen gedacht wurde, ein wirtschaftliches.

Meine Beobachtungen sind nicht neu und ich bin definitiv nicht die Einzige, die solche Gedanken auch schon nach einiger Zeit in der Pandemie hatte. Es hat kaum ein paar Monate gedauert, bis bereits mein gesamter Bekanntenkreis in dieser Altersgruppe unzufrieden war mit der Situation und dies auch lautstark kundgetan hat. Und wir wurden nicht gehört. Nicht als Gruppe und nicht als Einzelpersonen.

Die Situation hat sich verändert, zwar ist die Pandemie noch nicht vorbei aber die Inzidenz sinkt und die Anzahl der Menschen, die sich impfen lassen, steigt immer weiter. Und auch wenn man nun sagen könnte, dass es sich nicht mehr lohnen würde, die oben benannten Altersgruppen zum Thema Corona-Pandemie anzuhören, ist es doch genau das. Ich persönlich denke, dass dies nicht die letzte große Pandemie in der noch kommenden Menschheitsgeschichte sein wird und der Umgang mit einer solchen auf jeden Fall noch verbessert werden kann. Es ist wichtig mit der jüngeren Generation ins Gespräch zu kommen, denn auch wenn ich mich nicht anmaße zu sagen, dass wir was die Pandemie angeht alles besser gemacht hätten, hätten wir doch vielleicht so einiges anderes gemacht und können eine weitere Perspektive geben, die es zu beachten lohnt.

Damit in der Zukunft vielleicht einige Probleme umgangen werden können und in der nächsten Pandemie nicht eine gewisse bloggende Studentin mit ihrem beinahe den Akku-Tod sterbenden Laptop auf dem Balkon sitzt und sich in einem Text über die Politik aufregt.

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Die Sache mit dem Impfneid

Es war in einem vollem Bus, in dem ich viel zu dicht gedrängt an andere Menschen für meinen eigenen Geschmack und auch für Pandemie-Verhältnisse, ein Gespräch zweier Frauen belauschte, die etwa in meinem Alter waren. Ich belauschte das Gespräch tatsächlich eher unfreiwillig, denn ich hatte an diesem Tag, als ich von einem kleinen Spaziergang durch die Stadt mit eventuellem Halt für einen Coffee to go nach Hause fahren wollte, mit Entsetzen bemerkt, dass ich meine Kopfhörer zu Hause vergessen hatte. So musste ich die anderen Menschen um mich herum wahrnehmen und da ich viel zu neugierig war, als das ich es unterlassen hätte können, auch noch die viel zu lauten Gespräche meiner Mitfahrer anhören. Durch das Schreien eines Mannes in sein Telefon, der sich zum Glück durch einen Seitenhieb einer älteren Dame daran erinnerte, in welcher Umgebung er sich befand, hörte ich die Aussage der einen Frau mit, die erzählte, wie unverschämt sie es doch finde, dass gewisse Freunde von ihr vor ihr geimpft werden würden.

Ich selbst habe auch noch keine Impfung erhalten, da ich als relativ fitte Studentin - wenn man sich denn mit täglichem Konsum von Instant-Nudeln, Kaffee und Tiefkühlpizza als körperlich fit beschreiben kann – keine Vorerkrankungen habe, nicht im medizinischen Bereich arbeite oder sonst zwangsläufig viel unter Menschen bin. Ich habe mich sehr schnell damit abgefunden, dass ich erst spät eine Impfung erhalten würde, auch wenn ich es mir wünschte. Ebenso wie die Frau vor mir im Bus würde ich mich viel sicherer in einem solch vollgestopften Fahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt mit einer halsbrecherischen Fahrweise in Richtung meiner Wohnung fuhr, fühlen, wenn ich bereits gegen das Virus geimpft worden wäre. Ich dachte kurz an einige meiner Freunde, die ebenfalls keiner besonderen Priorisierungsgruppe angehörten aber schon eine Impfung erhalten hatten, durch Kontakte der Familie, des Hausarztes oder anderen Instanzen. Natürlich hätte ich auch gerne Ärzte in der Familie oder einen Hausarzt der einen nicht einfach nur auf eine Warteliste setzt, sondern an einen Kollegen verweist, der einige Dosen Impfstoff übrig hat, das war aber nun mal nicht der Fall bei mir. Und obwohl ich nicht sagen kann, dass ich nicht gerne auch eine solche Behandlung gehabt hätte, wünsche ich mir nicht an Stelle meiner Freunde zu sein. Ich gönne ihnen die Impfung von ganzem Herzen, es ist schließlich nicht so, dass ich es mehr verdient habe als besagte Freunde, gegen ein potentiell tödliches Virus geschützt zu sein.

Ich war kurz davor den Kopf zu schütteln, da ich in meinen sich vervielfältigenden Gedanken zu diesem Thema der Frau im Ansatz beinahe zugestimmt hätte und ich durch diese Geste meinen Widerspruch zu meiner eigenen anfänglichen Haltung ausdrücken wollte, doch ich lies es schnellstens bleiben. Womöglich hätte ich den beiden Frauen damit noch verraten, dass ich sie mehr oder weniger freiwillig belauscht hatte und ich hatte schon genug finstere Blicke an diesem Tag geerntet, dank der nicht gerade verschwiegenen Nachbarin, der irgendetwas an meinem Äußeren scheinbar ganz und gar nicht gefallen hatte. Anstatt also diese Geste auszuführen oder mich gar einzumischen hoffte ich auf einen Kommentar ihrer Freundin, die vielleicht ja ihre Meinung nicht teilen würde, und genau dies geschah. Mit einem Lächeln auf den Lippen, unter der an mir klebenden Maske, die inzwischen definitiv bereit war für eine Hitzebestrahlung im Ofen, wendete mein Blick sich zum Fenster und lies mich gerade rechtzeitig merken, dass der Bus an der Haltestelle stehen geblieben war, an der ich aussteigen musste. Ich hetzte hinaus aus der sich schon wieder schließenden Tür und begriff als ich am Zebrastreifen angekommen in meine Jackentasche griff, dass ich meine Kopfhörer doch die ganze Zeit bei mir gehabt hatte.

Ein Blick in die Zukunft

Es war während einer Video-Vorlesung, in der meine Gedanken mal wieder abdrifteten. Nicht, dass ich das Thema des Doppelkönigtums im antiken Sparta nicht interessant fand, aber es war zu einem Zeitpunkt, an dem meine Aufmerksamkeitsspanne was Online-Angebote betrifft schon unglaublich unter der Pandemie gelitten hatte und ich einfach eine Pause vom ‚konzentriert auf den Bildschirm starren‘ brauchte. Mein Blick wanderte zunächst vom Laptop zur leeren Kaffeetasse, bei deren Anblick ich am liebsten in die Küche gegangen wäre und diese erneut gefüllt hätte – aber ich hatte als eine der wenigen Personen in diesem Seminar die Kamera an und wollte nicht einfach so verschwinden. Weiter glitt mein Blick an der Raufasertapete entlang zu der dort aufgehängten Weltkarte, bei der man die bereits besuchten Länder wie bei einem Rubbellos freikratzen konnte, die ich mir zu einem im Nachhinein unglaublich unpassenden Zeitpunkt kurz vor der Pandemie zugelegt hatte. Wie ich die Weltkarte so ansah, kam mir ein Thema in den Sinn, das ich mit meinen Freunden per Chat bereits lang und breit besprochen hatte: Wie die Welt wohl nach der Pandemie aussehen würde. Nicht im wirtschaftlichen oder politischen Sinne, dazu gibt es natürlich auch so manche Prognosen, sondern ganz allein für uns und unsere Lebenswelt. Wie würde unsere Welt nach der Pandemie aussehen? „Ich werde mich nie wieder im Bus neben eine andere Person setzen können!“ war es sofort per Chat von einer meiner Freundinnen gekommen und alle anderen Teilnehmer dieser spontanen Diskussion hatten ihr lachend zugestimmt. Auch ich habe mich inzwischen so sehr daran gewöhnt, den Platz neben mir im Bus freizuhalten, dass in mir sofort ein ungutes Gefühl aufkommt und ich mich wie eine Schwerverbrecherin fühle, sobald sich dann doch jemand dieser unausgesprochenen Regel entzieht. Auch im Zug stelle ich meine Tasche absichtlich auf den Platz neben mir, damit niemand diesen besetzen kann, etwas, das ich früher alleine aus Höflichkeit niemals getan hätte und etwas, das sicherlich eine Weile brauchen wird um aus meinem Kopf zu verschwinden.

Ein weiterer Einwand kam von einer Freundin, die passend zum Thema ihres Kommentars ein Psychologie-Studium angefangen hatte. Denn natürlich werden die monatelange Unsicherheit, die sich bei Schüler:innen stetig weiter aufbauenden Ängste um ihren Abschluss und ihr Berufsleben, die verlorenen Freundschaften, die Angst vor dem Anstecken und die Angst vor dem Angesteckt werden einen riesigen Rattenschwanz aus Sozialphobien, Verlassensängsten und verschiedensten psychischen Krankheiten nach sich ziehen. Ich bin sehr froh, dass ich selbst und auch meine Freundinnen bereits ihren Abschluss haben und auch bereits studieren oder eine Ausbildung begonnen haben. Das Thema des in Gefahr gebrachten Abschlusses erübrigte sich bei uns daher, dennoch war klar, dass diese Pandemie Spuren bei uns allen hinterlassen würde, bei den einen mehr, bei den anderen weniger.

Diese Dystopie hatte eine andere meiner Freundinnen mehr oder weniger in einem „Meinetwegen kann es aber auch ruhig so bleiben, dass mir an der Kasse der nachfolgende Kunde nicht mehr in den Nacken husten kann!“ aufgelöst, woraufhin es natürlich Lachsmileys regnete. Auch sie hatte dabei auf keinen Fall unrecht, ich befand die Abstandsregelungen in Supermärkten ebenfalls für ziemlich sinnvoll und hoffte ein wenig darauf, dass sie auch nach der Pandemie noch bestehen würden. Auch die Masken würde ich auf jeden Fall noch eine Weile behalten, allein für das Fahren in überfüllten Zügen zur Zeiten der nächste Grippewelle.

Ich finde es falsch zu sagen, dass die Pandemie neben ihren vielen negativen Faktoren auch etwas Gutes mit sich bringt, denn diese negativen Faktoren überwiegen doch maßlos das, was man für gut befinden könnte. Aber vielleicht bleibt von der Pandemie ja wenigstens ein besseres Hygieneverständnis, wenn es schon statt den, wahrscheinlich doch wieder verschwindenden, Markierungen im Supermarkt eine gewisse psychische Belastung sein muss. Während ich langsam wieder die Stimme meines Professors durch die leichte Verzerrung einer schlechten Leitung, gepaart mit der üblich eher mauen Qualität einer Videokonferenz, wahrnahm, verschwanden langsam die Gedanken an eine Zukunft, die sich mit Sicherheit trotz all meinen Überlegungen nicht ansatzweise in ihrer Genauigkeit erfassen ließe, und lenkten meine Aufmerksamkeit wieder auf die Welt vor gut 2400 Jahren.

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Zwischen Müdigkeit und Hoffnung

In meinen Texten habe ich bis jetzt immer darüber geschrieben, was mir in der Pandemie bereits passiert ist und womit ich mich beschäftigt habe. Meine kleinen Alltagsgeschichten kamen dabei aus der Vergangenheit und haben über den Anfang der Pandemie oder einen Zeitraum, in der die Pandemie schon ein wenig vorangeschritten war, berichtet. Es hat sich jedoch einiges verändert, im Vergleich zu diesen Momenten, die ich so ausführlich beschrieben habe. Die Pandemie ist noch nicht vorüber, das ist klar, aber wenn ich so auf mehr als ein Jahr voller Beschränkungen, Schutzmaßnahmen und Umplanungen denke, merke ich doch wie viel anders geworden ist.

Letzten Sommer war Online-Unterricht noch etwas neues, etwas, das es zu verstehen galt und bei dem man die unbekannten Möglichkeiten erforschen konnte. Heute bin ich einfach nur noch müde. Ich habe keine Lust mehr in die schwarzen Kästchen der ausgeschalteten Kameras meiner Kommilitonen während den Video-Sitzungen zu schauen, keine Lust mehr mich wirklich am Unterricht zu beteiligen, und das obwohl ich als Lehramtsstudentin natürlich genau weiß, wie wichtig mündliche Mitarbeit ist – und im großen und ganzen habe ich einfach keine Lust mehr auf ein weiteres Online-Semester. Diese ganz bestimmte Müdigkeit, die gleichzeitig aus dem bekannten ‚keine Lust mehr haben‘ aber auch aus dem ‚einfach keine Kapazitäten mehr haben‘ besteht, erkenne ich nicht nur bei mir selbst wieder. Meine Freunde beklagen sich darüber, in meinen Online-Kursen schweigen alle Kommilitonen vor sich hin und wenn doch jemand versehentlich seine Kamera angestellt hat, sieht man darin nur wie die Person gedankenverloren aus dem Fenster starrt oder man erahnt durch das hellblaue Leuchten von schräg unten am Bildschirmrand, dass diese Person, genau wie man selbst, lieber durch die sozialen Netzwerke scrollt als sich wirklich mit dem Unterricht zu beschäftigen. Ich habe das Gefühl eine gesamte Generation kann einfach nicht mehr, wir haben keine Kapazitäten mehr und laufen auf Energiespar-Modus um in diesem Ausnahmezustand noch weiter zu überleben. Und sicherlich geht es nicht nur den jungen Menschen so, auch bei den Dozierenden meiner Universität merke ich diesen Zustand deutlich. Einige haben für dieses Semester bereits von einem interaktiven Seminar auf eine Vorlesung umgeschalten und nehmen Studierende nur noch wahr, wenn sie dann doch ein Mal eine Frage in den Chat schreiben, andere Dozierende stellen nur noch das Material in den virtuellen Lernraum und bedienen sich der Leistungsabfrage durch einen Test am Ende des Semesters. Und ich kann es ihnen nicht ein Mal verübeln.

Ich habe das Gefühl, dass diese Müdigkeit, die ich schon ab letztem Sommer für die Zukunft erahnen konnte, inzwischen auf ihrem Hochpunkt angekommen ist. Aber gleichzeitig ist auch meine Hoffnung auf ein baldiges Ende dieser Zeit auf einem Hochpunkt, woraus sich eine seltsame Mischung an Emotionen ergibt. Mein Handy erinnert mich durch die eingestellten Benachrichtigungen für bestimmte Social Media-Seiten, die sich mit dem Thema befassen, über die stetig steigende Prozentzahl der inzwischen geimpften Menschen in Deutschland. Auch meine Großeltern, meine Eltern und auch einige meiner gleichaltrigen Freunde sind inzwischen geimpft, teilweise haben sie auch bereits die zweite Impfung erhalten. Ich sehe endlich wieder Licht am Horizont, dass die Pandemie bald vorbei sein könnte, ich habe sogar meine lang vergessenen Konzertkarten wieder auf den Papierstapel der ‚bald vielleicht wichtig werdenden Dinge‘ gelegt in der Hoffnung, dass ich sie 2022 endlich verwenden kann. (Dieser Papierstapel ist keineswegs zu verwechseln mit dem ‚absolut wichtige Dinge um die mich natürlich ganz bald kümmern werde‘-Stapel, auf dem die noch zu lesenden Bücher der in meinen Texten bereits erwähnten Lehramts-Leseliste beinahe ein zweites Regal aufmachen könnten, der direkt daneben liegt.)

Ich glaube wir haben es bald geschafft, wenn die Impfbereitschaft auch weiterhin so hoch bleibt und sich alle an die Beschränkungen halten. Diesen Gedanken hatte ich vor gut zwei Wochen noch nicht und ich bin sehr dankbar, dass er sich inzwischen in meinen Kopf geschlichen hat. Hoffnung ist das, was ich an diesem Hochpunkt der Müdigkeit gebraucht habe und es ist auch eben diese, die besagte Müdigkeit auch langsam wieder vertreibt. Hoffentlich ergreift diese Hoffnung auch meine gesamte Generation, wie es die Müdigkeit bereits getan hat, ich wünsche es mir zumindest.

Flucht in eine andere Welt

Es war erst vor einigen Wochen als ich, nachdem ich die letzte Video-Sitzung des Tages geschlossen hatte und bevor ich mich wieder an Hausaufgaben, zu lesende Texte und zu schreibende Abgaben machen wollte, meinen Computer durchforstete. Tatsächlich war und ist es bei mir kein Corona-Phänomen, dass ich meine Freizeit am Computer verbrachte, denn ich habe eine relativ große Leidenschaft für Computerspiele entwickelt und da ich über einen gemeinsamen Chat-Server auch Kontakt mit Freunden halten kann, die für das Studium in eine andere Stadt gezogen sind, verbinde ich gerne diese beiden Dinge miteinander. Es ist nicht so, dass ich mich in meinem Zimmer einschließe und nie aus diesem heraus komme, schließlich trage ich auch die Verantwortung für ein in die Jahre gekommenes und leicht übergewichtiges Pony, und das steht nun mal nicht auf dem Balkon nebenan.

An diesem Tag war mal wieder die Zeit gekommen, in der ich keine Lust auf meine neulich erst heruntergeladenen Spiele hatte und mein Budget als Studentin nicht für weitere Spiele reichte, daher kramte ich in den alten Spielen herum, die ich mir über die Zeit so angeschafft hatte und zur Sicherheit noch immer auf dem Computer gespeichert waren. Diese Phasen waren nicht unüblich, meistens entschied ich mich nach einigen Stunden Gejammere und Gemecker für eines der neueren, bereits installierten Spiele und war auch mit dieser Auswahl schließlich recht glücklich. Beim durchgehen der Spiele fiel mir eines ins Auge, das ich früher tatsächlich exzessiv gespielt hatte. In meiner Schulzeit hatte ich mich nach dem Unterricht sofort an den Computer gesetzt, das Spiel gestartet und war in die Welt versunken, die mir damals so viel besser erschien als die, in der ich lebte. Einigen meiner Freunde war es ebenfalls so ergangen, erinnerte ich mich. In diesem Moment war ich aber relativ froh darüber, dass diese Zeit vorbei war. Es musste eine unglaublich lange Zeit gewesen sein, die ich in diesem Spiel verbracht hatte, ich hatte es damals nach der Schule nur gestoppt um etwas zu essen oder die Hausaufgaben für den nächsten Tag mehr schlecht als recht zu machen, mehr aus dem Grund, dass ich nicht unnötig auffallen wollte, wenn die Lehrperson herumging und das halbfertige Geschmiere von dreißig wenig begeisterten Neuntklässlern überprüfen musste. Eine Rednerin auf einem damaligen Projekttag hatte mir tatsächlich schon mal den Begriff ‚Computerspielsucht‘ an den Kopf geworfen, was ich in besagtem Alter als ziemlich abwegig empfunden hatte. Und auch zu dem Zeitpunkt, als ich so die Dateien durchging und nachdachte, empfand ich es nach einigen Überlegungen doch als recht abwegig. Sicherlich, eine Computerspielsucht mit ihren Symptomen der Vernachlässigung von Freunden, Familie und dem Rest des gesellschaftlichen Lebens kann leicht entstehen und ist nichts, was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. An der Zeit gemessen, die man dabei in solchen Spielen verbrachte und abgesehen davon, dass ich besonders über dieses Spiel auch neue Freunde kennen lernte, hätte man bei mir vielleicht sogar auf eine solche Krankheit schließen können, schließlich war ich ganz und gar von diesem einen Spiel mit seiner unglaublichen Welt gefesselt. Doch da war für mich der springende Punkt: Ich war viel mehr versessen in diese anderen Welten, ich wollte Ablenkung und ich brauchte zu dieser Zeit viel davon. Gut zu erkennen war der Unterschied für mich daran, dass als ich das ich dieses Spiel schließlich für eine Buchreihe vernachlässigte. Von da an verschlang ich nach und nach die bereits herausgekommenen Bücher und wartete sehnsüchtig auf die angekündigten Erscheinungen. Das eine wurde bei mir an diesem einen Projekttag als Computerspielsucht tituliert, das andere wurde ich von Lehrkräften und Eltern als ach so lernwillige Vorzeige-Teenagerin dargestellt. Und bei beidem wollte ich eigentlich nur von meinem Alltagsstress, dem seltsamen Alter, in dem ich war, und dem Leistungsdruck der Schule fliehen. Und irgendwie war ich nun froh darum, dass ich etwas gefunden hatte, das mir dieses Fliehen erlaubt hatte. Ich bin recht sicher, dass ich ohne diese Möglichkeit zur Abkehr vom täglichen Stress die Pubertät nicht unbeschadet überstanden hätte, und tatsächlich auch heute die Pandemie nicht unbeschadet überstehen würde. Denn auch heute ist das Computerspielen für mich eine Art der Flucht, in der man mal nicht daran denken muss die Corona-App einzuschalten oder die Masken im Ofen zu grillen bis sich auch die letzten Viren verflüchtigt haben. Und ich wünsche jedem Menschen eine solche Möglichkeit ein wenig in eine andere Welt zu fliehen. 

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Der Zwang zur Kreativität

Noch bevor wir alle wussten, wie lange uns dieser Ausnahmezustand im Griff halten würde, in einer Zeit in der wir uns noch auf Serien Streaming freuten, mit gutem Gewissen die erste Staffel einer Serie innerhalb von zwei Tagen durchsahen und trotz Angst vor dem Ungewissen noch hoffnungsvoll ein baldiges Ende der Pandemie erwarteten, las ich in einem Post einer zufällig in meine Timeline gespülten Influencerin die Zeile „Nutzt doch die Pandemie!“. Ich nickte ein wenig, während ich so auf dem Sofa lag und die zusätzliche freie Zeit genoss, die unbesuchte Partys und nicht mehr nötige Wege zur Uni mit sich zu bringen schienen. Ich stellte mir die kommende Zeit zwar nicht wirklich ereignisreich vor, aber eben auch nicht als große Herausforderung. Im Grunde plagte mich nur eines: Die Langeweile. Und ich war damit wohl nicht alleine, in den sozialen Medien diskutierten die Leute darüber, was man denn nun mit dieser vielen Freizeit in den eigenen vier Wänden anfangen sollte. Einige Bekannte von mir begannen motiviert Schwedisch oder Japanisch zu lernen, andere bestellten sich im Internet Leinwände und angeblich ökologische Farben, die dann – höchst ökologisch – aus China eingeflogen werden mussten, und auch ich befand den Satz auf meinem Bildschirm für gut. Auch vor der Pandemie war es bereits so gewesen, dass ich gerne die freie Zeit, die mir beispielsweise in den Semesterferien vergönnt war, für etwas nutzen wollte. Sei es nun die Lehramts-Leseliste, die seit Beginn meines Studiums auf meinem Schreibtisch lag und mich für den ansetzenden Staub auf ihr zu verurteilen schien oder die Tatsache, dass ich jedes Mal nach der Abgabe meiner Hausarbeiten meinen gesamten Kleiderschrank umräumte um mich weiterhin produktiv zu fühlen. Auch wenn ich im Anschluss daran natürlich nichts mehr wiederfand und jeden Morgen mit der Suche nach bestimmten Kleidungsstücken begann, aber immerhin hatte ich die Semesterferien für etwas genutzt.

Dieses Mindset übertrug ich, dank der sozialen Medien, auch auf die Pandemie, und wenn alle anderen Leute scheinbar kreativ wurden und ihre Erfolge ins Netz stellten, wollte ich das auch. Kurzerhand bestellte ich mir Strickzeug und Wolle, da die Läden bereits geschlossen hatten, und begann mit Hilfe von Online-Videos Stricken zu lernen. Das Semester schritt voran, die Pandemie schritt voran, und mit der Zeit stellte ich fest, wie sehr mir der fehlende Kontakt mit echten Menschen außerhalb des Internets, die chaotischen Beschränkungen und die sich stetig ausbreitende Hoffnungslosigkeit auf die Psyche schlug. Und während ich mich langsam der ganzen Situation nicht mehr gewachsen fühlte, waren Social Media Plattformen immer noch voll von Beiträgen, wie gut man die Pandemie doch für die Renovierung seines Zimmers nutzen konnte und auf Instagram wurde ich damit zugeschüttet, welche Glückseligkeit es doch bringen würde Brot backen zu lernen. Und da saß ich, vor meinem Schreibtisch, der mich zu diesem Zeitpunkt schon lange genug gefangen gehalten hatte, und sah mich gezwungen zu stricken, schließlich musste ich die Pandemie doch für etwas nutzen. Wäre es sonst nicht verlorene Zeit?

Es gab keinen genauen Zeitpunkt, an welchem ich merkte, was für einen Mist ich mir da eingeredet hatte. Es war viel mehr ein schleichender Prozess, in dem ich mich erinnerte, dass ich mir vor dem Beginn meines Studiums geschworen hatte, nie wieder etwas zu tun, womit ich mich nicht wohlfühlte. Bezogen war dies damals eher auf mein Verhalten in Gruppenarbeiten, bei denen ich mir immer den größten Arbeitsanteil aufladen lies oder auch auf mein gekonntes ‚Nicht Nein sagen können‘, wenn ich mal wieder von Studentenverbindungs-Anhängern auf der Straße in ein offensichtliches Werbegespräch verwickelt worden war. Doch auch in diesem Moment, während ich dort so am Schreibtisch saß, sah ich mich gezwungen etwas zu tun, mit dem es mir einfach nicht mehr gut ging. Ich lies es bleiben und ich muss sagen, ich habe auch bis heute den halbfertigen, ziemlich löchrigen Schal, der zusammen mit der Wolle neben mir auf dem Schreibtisch liegt, nicht mehr angefasst. Vielleicht führe ich dieses Projekt irgendwann fort, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht lege ich mich stattdessen auch einfach wieder aufs Sofa, weil es mir im Moment damit besser geht, als mit einer weiteren Beschäftigung, die dieser Zeit einen Nutzen aufdrängen soll.

Eine Pandemie muss nicht genutzt werden, finde ich, sie sollte vor allem überlebt werden.

 

 

Vom Alleine- und Zusammen-sein in der Pandemie

Es war an einem sonnigen, warmen Morgen im April, einer der wenigen sonnigen und gleichzeitig warmen Morgen, die uns in diesem wettertechnisch chaotischen April geblieben waren, als ich realisierte, dass bald erneut der erste Mai sein würde. Geschuldet war diese Erkenntnis einer Freundin aus der Uni, deren Stimme unaufhörlich durch mein unter das Ohr geklemmte Telefon drang. Ich selbst hatte zu diesem Zeitpunkt mal wieder jegliches Zeitgefühl was einzelne Tage, Wochen oder teilweise sogar Monate anbelangte verloren, schließlich befand ich mich an diesem Tag noch in meinen Semesterferien, wobei ich auch sagen muss, dass die Pandemie mit ihrem Zwang zu recht öden Tagesabläufen nicht unschuldig an dieser Situation war. Sehr gut erinnerte ich mich noch an den ersten Mai des letzten Jahres, die „Tanz in den Mai“-Events waren mit einige der ersten großen Aktionen gewesen, die abgesagt werden mussten. Mich hatte das alles damals nicht so sehr getroffen, wie scheinbar meine gute Freundin. Obwohl ich eine große Befürworterin von Feiertagen und auch (leider eher kapitalistisch geprägten) Thementagen wie dem Valentinstag oder dem Weltfrauentag bin, hatte der erste Mai bei mir kaum mehr Stellenwert als den, den er sich durch die alljährliche Kalendernotiz „Es ist Tag der Arbeit“ erarbeitete, die mich meist in den passenden Wikipedia-Artikel versinken lies. Was Studierende des Faches Geschichte mit einem Hang zur Antike nun mal so machen, wenn sie das gesamte Semester lang wichtige moderne Daten und Informationen mit denen aus einer Zeit um das Jahr 100 n. Chr. herum überschrieben haben.

Jedenfalls war es für meine Freundin aus der Uni eine unglaubliche Tragödie, dass erneut kein Tanz in den Mai stattfinden konnte und sie, dem Single-Dasein geschuldet, auch keinen Maibaum bekommen würde. „Ich bin immer nur alleine!“ seufzte sie. Meine Antwort darauf war ein starkes Nicken, das mein Handy beinahe auf den Asphalt schleuderte und für meine Gesprächspartnerin, dank meiner eigenen Faulheit bei einem Videotelefonat permanent das Handy in der ausgestreckten Hand halten zu müssen, keinerlei Relevanz hatte. Ich konnte mich mehr als gut mit ihrer Aussage identifizieren, ebenso gefühlt alle anderen Menschen, mit denen ich im Verlauf der Pandemie gesprochen hatte. Sie kannten wie ich diese seltsame neue Art der Einsamkeit, die die Pandemie und ihre Beschränkungen so mit sich gebracht hatte. An Kontakt hatte es mir nicht gemangelt, dank meinem Glück bei Wahlfächern stets in die Kurse gewählt zu werden, die mit 30 diskussionsfreudigen Gesellschaftswissenschaftlern eher die Atmosphäre des britischen Parlaments besaßen, als einem gemütlichen Geschichtskurs. Und trotz des ganzen Kontakts fehlte es mir an richtigen Gesprächen, Gegenübern, die nicht nur kleine Vierecke auf einem großen Bildschirm waren, und irgendwie auch positiven Themen. Ich war bereits dabei meine Gedanken in Worte zu fassen, um sie meiner guten Freundin vermitteln zu können, als ich stockte. In diesem Moment fiel mir ein, dass ich mir in einem Aspekt gar nicht anmaßen konnte, sie zu verstehen. Sobald ich nämlich diese Einsamkeit verspürte, rief ich meinen Freund an. Wir sprachen dann darüber, tauschten uns aus und schafften es meist, uns gegenseitig wieder für den Alltag zu motivieren. Sicherlich, die Pandemie war und ist auch für Beziehungen und vor allem Fernbeziehungen eine negative Konstante, so schränkt sie einen doch ziemlich in der Wahl der gemeinsamen Aktivitäten ein und führt aus Angst, den Partner anzustecken und dann dank mehrerer Wochen Quarantäne nicht sehen zu können, noch mehr in die Abgeschiedenheit von anderen Menschen die eben nicht jener Partner sind. Aber ich habe jemanden an meiner Seite, jemand, mit dem ich alle meine Sorgen bezüglich der Pandemie oder auch allem anderen auf der Welt teilen kann. Ich bin mir sicher, ohne meinen Freund wäre ich in dieser Pandemie psychisch untergegangen.

Das Telefonat zwischen mir und meiner guten Freundin endete abrupt, als bei ihr der Postbote klingelte und ihr eines der vielen bestellten Pakete brachte, was ich mit meinem inzwischen ebenfalls deutlich gesteigertem Online-Shopping-Verhalten natürlich verstand. Ich gönnte ihr zudem den wenigen menschlichen Kontakt, denn sie würde noch eine Weile durchhalten müssen bis zum ersten Mai, den ich, obwohl es an diesem Tag ja eigentlich um partnerschaftliche und nicht freundschaftliche Liebe ging, für unser nächstes stundenlanges Telefonat ins Auge gefasst hatte. Damit sie sich an diesem Tag vielleicht ein bisschen weniger ‚immer nur alleine‘ fühlen würde.

 

Redebedarf

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